Gewohnheiten pflastern entweder den Weg zum Erfolg
und zur Freude oder den zum Versagen und zur Ablehnung.
Friedrich Nietzsche in Morgenröte:
Langsame Kuren. - Die chronischen Krankheiten der Seele entstehen
wie die des Leibes, sehr selten nur durch einmalige grobe Vergehungen
gegen die Vernunft von Leib und Seele, sondern gewöhnlich durch
zahllose unbemerkte kleine Nachlässigkeiten. Wer zum Beispiel
Tag für Tag um einen noch so unbedeutenden Grad zu schwach
atmet und zu wenig Luft in die Lunge nimmt, so dass sie als Ganzes
nicht hinreichend angestrengt und geübt wird, trägt endlich
ein chronisches Lungenleiden davon: in einem solchen Falle kann
die Heilung auf keinem anderen Wege erfolgen, als dass wiederum
zahllose kleine Übungen des Gegenteils vorgenommen und unvermerkt
andere Gewohnheiten gepflegt werden, zum Beispiel, wenn man sich
zur Regel macht, alle Viertelstunden des Tages einmal stark und
tief aufzuatmen (womöglich platt am Boden liegend; eine Uhr,
welche die Viertelstunden schlägt, muss dabei zur Lebensgefährtin
gewählt werden). Langsam und kleinlich sind alle diese Kuren;
auch wer seine Seele heilen will, soll über die Veränderung
der kleinsten Gewohnheiten nachdenken. Mancher sagt zehnmal des
Tages ein böses, kaltes Wort an seine Umgebung und denkt sich
wenig dabei, namentlich nicht, dass nach einigen Jahren er ein Gesetz
der Gewohnheit über sich geschaffen hat, welches ihn nunmehr
nötigt, zehnmal jedes Tages seine Umgebung zu verstimmen. Aber
er kann sich auch daran gewöhnen, ihr zehnmal wohl zu tun!
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